Kindheit in Wien
Kindheit in Wien

Kindheit in Wien

Weltkriegs- und Nachkriegszeit aus Kindersicht
  • 13 x 21 cm, 192 Seiten
  • Deckenband, Schutzumschlag, Lesebändchen
  • ISBN 978-3-89919-679-5
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Die Stimmen verstummen zunehmend, die noch von der Kindheit in den 1940ern und 1950ern erzählen können. In seinen Kindheitserinnerungen nimmt uns Helmut Birkhan, langjähriger Mittelalterforscher an der Universität Wien, erfahrener Autor und sprachkundiger Erzähler, mit auf eine Zeitreise in diese verblassende Welt im Innersten Österreichs. Kindheit in Wien ist mehr als ein Erinnerungsbuch, es ist ein buntes Gemälde der Lebenswelt unserer Großeltern, ganz ohne Wehmut und Idyllenton, dafür voller Sachkenntnis und Phantasie. Wenn Birkhan den Staub von lange vergessenen Begriffen bläst, dann erwachen der Kohlenklau zu neuem Leben und der Fetzentandler, die Stosuppe, der Fleckerlwalzer und das Ramasuri.

Pressestimmen Pressestimmen

Buchrezension in der PRESSE am 5.6.2021

 

Buchrezension im WIENER BEZIRKSBLATT am 3.5.2021

 

Radiobeitrag in der Gesellschaftssendung Moment des Radiosenders Ö1 am 21.4.2021

 

Buchrezension in der Zur ZEIT im April 2021

 

Buchrezension im Austria-Forum am 10.3.2021:

Univ. Prof. Helmut Birkhan (* 1938) ist bekannt als Keltologe, Mediävist und Experte der mittelalterlichen Alltagskultur in Theorie und Praxis. Seine Bücher "Kelten" (1997) und der Bildband (1999) sind Standardwerke. Bücher wie "Magie im Mittelalter" (2010), "Pflanzen im Mittelalter" (2012) oder "Spielendes Mittelalter" sprechen Wissenschaftler wie Laien gleichermaßen an. Nach acht Jahrzehnten blickt der Gelehrte humorvoll auf seine Kindheit zurück. Der Autor betont seine kulturmorphologische Absicht, indem er den Lesern die Kulturvorgänge, die ihn mitgeformt haben, veranschaulichen möchte. Auf der Homepage der Universität Wien schreibt der vielseitige und international Tätige über seine Forschungsgebiete: Ich sehe die Ältere deutsche Sprache und Literatur sowie die Keltologie primär als Kulturwissenschaften…. Im vorliegenden, wieder äußerst lesenswerten, Buch ist es die Alltagskulturwissenschaft, die selbst erlebte "Geschichte von unten".

Ich hatte, schreibt Helmut Birkhan, kultivierte, gebildete, aber auch sehr liebevolle Eltern. Die Mutter stammte aus der Karlsbader Gegend, wo sein Urgroßvater Hotel und Gastwirtschaft, betrieb. (Übrigens erzählt der Professor gerne, dass der nahrhafte Beruf auch ihn interessiert hätte. Wer einen seiner unvergesslichen Kochkurse besucht hat, kann das gut nachvollziehen.) In den 1920er Jahren wanderte die Mutter mit ihren Geschwistern nach Wien aus. Dort heiratete sie den Sohn eines Kürschnermeisters, Josef Birkhan. Dieser war vom Kaiser als einer der besten Schüler Wiens ausgezeichnet worden und hatte das Studium an der Technischen Hochschule als Diplomingenieur für Hoch- und Tiefbau abgeschlossen. Mit der technischen Aufsicht von Großbaustellen betraut, war er beruflich viel auswärts. Oft begleitete ihn seine Familie und verbrachte ihre "Sommerfrische" u. a. in Salzburg, Hohenau (Niederösterreich) oder Peter Roseggers Waldheimat. So lernte Helmut früh Land und Leute und deren sprachliche Eigenheiten kennen.

Birkhans Jahrgangs- und Studienkollege, der Schriftsteller Alois Brandstetter, erwähnt im Vorwort die literarische Sozialisation des späteren Multigelehrten. Ständig präsent waren von frühester Kindheit an die Märchen, die mir meine Mutter erzählte oder auch vorlas. Es waren die der Bruder Grimm (natürlich ungeschönt!), die Hauff'schen und eine kleine Auswahl aus Tausendundeine Nacht. Die Familie lebte im bürgerlichen Teil des 6. Wiener Gemeindebezirks Mariahilf. Die Wohnung, mit gepflegten Biedermeier- und altdeutschen Möbeln samt Klavier eingerichtet, die Küche mit "Kochkiste" und "Eiskasten" lassen vor dem geistigen Auge älterer LeserInnen lebhafte Bilder entstehen. Ebenso die Beschreibung der Kindermode und der Feiertage, wie Weihnachtsbescherung oder Fronleichnam, Radio, Grammophon und die Bibliothek der Familie. Der Erinnerung des Autors kommt zu Gute, dass der Vater schon sehr früh Fotos und Schmalfilme aufnahm. (50 Bilder bereichern als Zeitzeugnisse das amüsante Buch.) Sein Sohn versuchte sich bald an chemischen Experimenten und Zauberkunststücken. Bis heute fasziniert den Literaturwissenschaftler sein Marionettentheater aus der Zeit um 1900. Er erfand Figuren, Stücke und verbesserte nach und nach die technischen Finessen der kleinen Bühne.

Als Haustiere hielt der Bub drei Schildkröten, die sich besonders im Kalksburger Garten wohlfühlten. Dort besaßen die Großeltern ein Häuschen mit dem seinerzeit modernen Alpengarten. Mit viel Mühe angelegt, blühte er so prächtig, dass Spaziergänger stehen blieben und fragten, ob sie die Blumen fotografieren dürften. Die Liebe zur Botanik begleitet den Autor seit Kindertagen. Er baute ein Alpinum mit Edelweiß und Enzian und erfreute sich am Schwammerlsuchen, Beeren- und Kräutersammeln, als er im Zweiten Weltkrieg mit der Mutter in Niederösterreich lebte und dort eingeschult wurde. Wenig verwunderlich, dass der "Weana Badsi" den Mitschülern keineswegs sympathisch war (und umgekehrt). An der Sprache kann es nicht gelegen sein, denn Ich bin sozusagen zweisprachig aufgewachsen. Wir sprachen als Haussprache Wienerisch, wie ich es hier zitatweise anklingen lasse. Meine Mutter hatte vielfach spezifisch sudetendeutsche Ausdrucke. … Daneben beherrschten wir natürlich die Hochsprache … und so bin ich durchaus hochsprachlich sozialisiert worden, wenn ich auch in der Familie, mit Schulfreunden und anderen das sogenannte "code-switching" betrieben habe, d .h. in die jeweils andere Sprachvarietät umschalten konnte und z. T. noch kann. "Noch kann" deshalb, weil das Wienerische verschwindet, und ich kaum noch mit Leuten spreche, denen die Sprache Nestroys, Weinhebers oder auch h.c.artmanns "angewachsen" ist.

Solche Vokabel, die nicht mehr allgemein bekannt sein dürften, streut der "Chronist der Wiener Welt von gestern" gekonnt in seinen Text ein, beispielsweise Grischbindl (mageres Bürschchen), Khudlmudl (Durcheinander), Reindel (Kochgeschirr), Bappmschlossa (Zahnarzt), bunkad (drall), Dschoppal (kleines, armseliges Kind), kralowat (gestohlen), bo mali (gemütlich; langsam), baulisiarn (verschwinden) schmafu (schmählich behandelt werden), Pompfünébera (Bestatter) oder Ihaver (Pferdefleischhauer).

In den 1960er Jahren,- der spätere Universitätsprofessor arbeitete an seiner Habilitation - entdeckte er den Aufruf zu einer Exkursion zwecks Dialektaufnahme nach St. Leonhard. Es war jenes Dorf, in dem Birkhan als Volksschüler untergebracht war.

Helga Maria Wolf

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